Am Anfang war Anatolien

An einen Baum, nahe der Ausgrabungsstätte von Göbekli Tepe, knoten junge Einheimische ihre Wünsche – seit Jahrhunderten. Ich stehe dort, Wind steigt auf aus der Ebene unter mir, wo sich der Euphrat windet. Sie nennen es die Region „des fruchtbaren Halbmonds“. Ich knote meinen Wunsch an einen Ast.

Wochen zuvor saß ich in einem Konferenzraum eines Fernsehsenders. Mir war fad. Ich war Ende Dreißig, und das sollte es sein? Bunte Farben und Formen? Endlose Meetings. Ich sprang ins Wasser. Kündigte. Einmal in meinem Leben wollte ich vor der Anzeige im Flughafen stehen und mir überlegen, wo ich hinfliege. Urfa stand da. Ich hatte keine Ahnung, wo das lag, aber flog hin. Südostanatolien war der Beginn einer Reise in eine damals noch halbwegs friedliche Region, die heute von Krieg und Elend geprägt ist. Ich sah Aleppo und Palmyra (wie das damals für mich klang), saß in einem Hammam, wo Kreuzritter ihre Namen in den Stein geritzt hatten. Sah die Wiege der Zivilisation, die ersten Schriften in Stein, schlief in Jericho und Jerusalem, in Baalbek und Bethlehem. Kam zurück und wollte schreiben. Nie mehr TV. Zu viel hatte ich gesehen. Daraus entstand mein erster Thriller, "Der Lilith Code".

Seither schreibe ich. Jedes Jahr ein Buch. Mittlerweile ist es wie mit Fahrradfahren, man muss strampeln, um vorwärts zu kommen. Hält man inne, fällt man. So ist Schreiben – für mich. Nie ist es perfekt. Aber manchmal kommt es dem nahe. So viele Geschichten sind noch zu erzählen, nie wird es fad. Für mein neues Buch reise ich in die Vergangenheit. Und Menschen beschenken mich mit ihren Erinnerungen und jenen ihrer Eltern. Schreiben kann quälen. Schreiben aber lässt mich leben.

Mein Wunsch ist übrigens in Erfüllung gegangen…

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