Sieben Mofa-Mucker-Songs des Großwerdens (Folge 1)
„Stairway to Heaven“ | Led Zeppelin
Acki brachte mich drauf. Wir beide trampten von der Stadt hinaus aufs Land. Per Anhalter Fahren war damals selbstverständlich für jene, die eben keine Moffa oder Mopped hatten.
Er war breit, ich noch sehr jung. Er hörte Led Zeppelin, ich kannte nur die Platten aus der katholischen Jugendgruppe. So etwas wie „Das weiche Wasser bricht den Stein“ – kein „Schlüpferstürmersong“, wie mein älterer Fußballfreund Stefan so blumig-herrenwitzig formuliert hatte. Der war mit Suse Meyer zusammen, musste es wohl wissen. Acki war also drauf, deswegen hielt ich den Daumen raus. Währenddessen erklärte er mir zu später Stunde mit langen Pausen in den Sätzen die satanische Macht von Led Zeppelin. Oder wie Kenner vom Schlage Ackis sagten: „LedZepp“.
Ich trug eine Jeans von „Adler“, eine usselige Baskenmütze und fand das schon revolutionär. Acki trug die Haare hinten lang und vorn kurz, einen abgewetzten Ledermantel, eine Lederhose mit einem geschnürten Band an der Seite und ein T Shirt mit dem Bild eines alten Mannes, der eine Kiepe trug. Ein Auto hielt. Ein Fiat Panda, und damit ein Gefährt, das zu besitzen fast noch trostloser war als keine Moffa sein Eigen zu nennen. Am Steuer ein Nachtarbeiter der Post am Bahnhof. Acki hatte eine Kassette dabei, die der Fahrer einlegen sollte. Der tat das mit einem Grummeln, hatte er doch bis zu unserem Einstieg Chris de Burgh gehört und verfügte somit über einen Musikgeschmack, der dem von Acki diamentral gegenüberstand. Kaum erklangen die ersten Töne, gingen wir drei Nachtvögel auf die Pilgerfahrt des Hardrocks, irgendwo zwischen der Ausfahrt Osnabrück-Nahne und Georgsmarienhütte, Orte der Kindheit und des Schreckens, bis Acki meine Kommentare mit einem den weichen Drogen geschuldeten langgezogenem „Schschschschsch“ unterbrach. „Stairway to heaven – live. Ein Bootleg. Alter….Echt….Schhh“ Es knisterte, leierte, aber es war deutlich zu vernehmen. Die Friedensbewegung-Blockflöte zu Song-Beginn war Ackis Sache natürlich nicht. Auch das Gitarren-Arrangement schien er nur mit Mühe zu ertragen – um dann beim einsetzenden Schlagzeug des Herrn John Bonham im Fond des Panda wild mit den Armen zu wedeln und den Kopf hin und her zu schwingen. Sofort roch es nach Pubertätsschweiß, der Nachtarbeiter kurbelte hektisch das Seitenfenster herunter. Am Ortsschild unseres Städtchens war Schluss. Acki musste raus. „Das ist…..Magie… Musik, Alter. Das ist Sex….nicht Schschschrott.“ Und als ob er merkte, dass ich mich nunmehr, am Ende der LedZepp-Pilgerfahrt in einem hormonellen Status jenseits des Knabenchors befand, ergänzte er mit verschwörerischer Miene: „Damit geht mehr als Knutschen.“ Das schien einige Wochen später auch der Vater einer Freundin zu wissen. Als ich mit der Platte unterm Arm auf der Terrasse der Familie erschien, wurde ich nach Hause und die Tochter ins Zimmer geschickt. Da half auch kein weiches Wasser. To be rock and not the roll…
John Bonham war zurzeit unserer Osnabrücker Tramper-Tour schon vier Jahre tot. Acki wurde Totengräber, trank ebenso viel wie John und folgte dem Drummer fünfzehn Jahre später in die Walhalla der Rocker – allerdings nicht wie sein Vorbild alkoholisiert im Haus Jimmy Pages, sondern sitzend auf einem Aufsitzrasenmäher, wo ihn ein Herzinfarkt ereilte.
Diese Reise beginnt als Verneigung vor Acki, der mir in dieser Nacht den guten Geschmack des Altrock-Muckers näherbrachte. Vor John Bonham, der eine quietschendes Snare Drum populär werden ließ. Und vor den Mädchen, die damals mit mir und sehr vielen anderen Jungs „Stairway to Heaven“ noch dem heute völlig vergessenen Petting frönten.
Folge II: Dauerwellen, Aufbohren und Juke Box Hero von Foreigner
https://www.youtube.com/watch?v=xbhCPt6PZIU
Fotos: Anspruch und Wirklichkeit. In den Achtzigern waren viele Jungmänner mit Gesichtern geschlagen, die nur eine liebende Mutter mögen konnte. Hinzu kamen erste modische Verirrungen. Resigniert sieht man es heute und weiß: Das wächst sich aus...wird erst mit 60 und engen roten Bundfaltenhosen wieder schlimm